Nachhaltigkeit im kalifornischen Stil – ein kurzer Blick in die Welt von Kalon Studios
Michaele Simmering und Johannes Pauwen sind das Ehepaar hinter dem in Los Angeles ansässigen Möbelstudio Kalon. Gemeinsam haben sie eine einzigartige Interpretation des kalifornischen Einrichtungsstils geschaffen, der Ästhetik, Produktion und logistische Sauberkeit perfekt ausbalanciert, um eine Reihe von atemberaubenden und nachhaltigen Einrichtungsprodukten zu liefern. Riluxa sprach mit Michaele über das, was sie inspiriert, und über ihre anspruchsvollen ethischen Standards.
Natürliche Materialien bilden die Grundlage für fast all Ihre Arbeiten. Was war für Sie persönlich der anfängliche Reiz von Holz und was waren einige der ersten Stückean die Sie sich erinnern können und die Sie dazu inspiriert habenmit Holz zu arbeiten?
Holz ist so allgegenwärtig, dass ich mich ehrlich gesagt nicht an die erste Annäherung erinnern kann. Da waren Boote in der Kindheit, knarrende Böden, Küchentische, verbrannte Kerzenständer, verbeulte Schränke mit tiefer Patina. Holz lebt. Es absorbiert den menschlichen Kontakt auf faszinierende Weise. Was mich am meisten anspricht, sind die inhärenten Variationen, die man nicht kontrollieren kann; sie stehen im Gegensatz zu der präzisen Form, die wir als Designer einem Stück geben. Diese beiden Dinge vermischen sich auf eine Weise, die mich interessiert. Sie verstärken sich gegenseitig.
Rugosa Collection - Bookshelf, Coffee Table and Chair
Glauben Sie, dass es einen Zusammenhang gibt zwischen unserer ästhetischen Wertschätzung von Holzmöbeln und unserer Fähigkeit, sie bis zu ihrem Ursprung und den Menschen, die sie hergestellt haben, zurückzuverfolgen?
Ich glaube, wir werden immer besser darin. Als Konsumenten sind wir darauf trainiert, blind zu sein für die menschliche Tätigkeit, die hinter der Produktion eines Stückes steht. Alles ist überall leicht verfügbar. Egal, wo wir leben, ob in der Großstadt oder im tiefen Wald, wir haben uns an den Gedanken gewöhnt, dass wir uns etwas über Nacht schicken lassen können. Wenn wir so denken, wenn wir von sofortiger Befriedigung ausgehen, gibt es keine Wertschätzung für den Prozess. Vorlaufzeiten werden als Verzögerung und damit als Störfaktor empfunden. Eines der Dinge, an denen wir seit der Gründung von Kalon am härtesten gearbeitet haben, ist es, unseren Kundenstamm besser über unseren Prozess aufzuklären, damit sie verstehen, dass die Verzögerung zwischen Kauf und Lieferung kein Vakuum ist. Es ist die Zeit, die viele Hände daran arbeiten, um das Holz zu einem Möbelstück zu machen. In gleicher Weise bemühen wir uns, sie über die Schönheit der Variation aufzuklären, über die Momente, die wir bei Material und Handwerk nicht kontrollieren können. Diese Variationen haben einen großen Wert und wir möchten, dass sie auch als solche wahrgenommen werden. Seien wir ehrlich, wir könnten ganz anders daran herangehen, wie wir unsere Teile bauen und verkaufen. Wir könnten uns auf Umsatz und Margen und Lagerhaltung konzentrieren, um die Lücke zu schließen, aber das tun wir nicht. Wir stellen jedes Stück in einer Zeit her, in der Handwerker immer seltener werden, aus ganz besonderen Materialien, in einer sehr hohen Qualität, und das ganz bewusst. Ich denke, jeder, der jetzt unsere Stücke kauft, ist sich dieser Entscheidungen bewusst und weiß sie zu schätzen.
Im 21. Jahrhundert erkennen wir eine Rückkehr zu traditionellen Techniken, um die Ästhetik des industriellenMinimalismusbereitzustellen. Haben Sie das Gefühl, dass die kulturelle Wahrnehmung von Schönheit sich für immer verändert hat durch die fabrikmäßige Produktion im 20. Jahrhundert?
Nichts ist für immer, aber ja, das Bauhaus hat alles verändert. Ich sehe Schönheit nicht als etwas Endliches oder materiell Definierbares. Für den Menschen haben alle Dinge ein Ideal. Je näher die Realisierung eines bestimmten Objektes an seinem Ideal ist, desto schöner ist es. Industrieller Minimalismus ist ein Ausdruck von Schönheit. Im 20. Jahrhundert hat es viele Bewegungen gegeben, die gegen den industriellen Minimalismus agiert haben. Da gibt es zum Beispiel Memphis, Droog, und hier in L.A. haben wir die Haas-Brüder, welche die Antithese zum industriellen Minimalismus sind. Im Moment sehen wir einen Trend zum Maximalismus. Alle diese Bewegungen sind Reaktionen auf das Bauhaus und den internationalen Stil – und damit aus ihm geboren – sie zeigen aber unterschiedliche Interpretationen von Schönheit.
Eine weitere Facette dessen, was Sie ansprechen, ist die Wahrnehmung von Schönheit in Bezug auf das Handwerk. Ich glaube, dass es in der Nachkriegszeit eine Bewegung weg von allem Handgemachten gab. Man war besessen vom Neuen und Glänzenden. Einheitlichkeit und Automatisierung standen hoch im Kurs. Es herrschte eine Faszination für die Zukunft und das Konzept des Fortschritts. Die menschliche Kultur wurde so wahrgenommen, als steuere sie auf eine Jetson-ähnliche Zukunft zu. Dies setzte sich in den 80ern und 90ern fort. Um die Jahrhundertwende, als die amerikanische Kultur begann, den Wert von großen Warenhäusern, Massenproduktion, Monokulturen und großer Landwirtschaft infrage zu stellen, entdeckte die Boutique-Kultur ihren Wert, und die Maker-Bewegung war geboren. Dies geschah parallel zu einer Welle des Interesses an Bauernmärkten, der Farm-to-Table-Restaurantkultur, saisonalen Produkten usw. Ich glaube nicht, dass wir das Interesse an der Perfektion von Kunststoffen verloren haben, wie man bei Massenprodukten wie Handys sehen kann, aber ich glaube, dass das Interesse an der Schönheit von Unvollkommenheit und Handarbeit gestiegen ist. Nicht, um Handarbeit mit Unvollkommenheit gleichzusetzen, aber die inhärenten kleinen Variationen, die sich aus der Handarbeit ergeben, selbst auf einer Ebene der Expertise, haben nun zu Recht einen Wert, der wahrgenommenen wird.
Wie definieren Sie Handwerk in Bezug auf Produkte von Kalon?
Handwerk ist für mich Qualität und Kompetenz. Vor allem aber ist es die Beherrschung der Technik. Das Wort „Handwerk“ erinnert die Menschen oft an Tradition. Wir stellen uns vor, wie alte Hände mit Generationen von Know-how etwas schnitzen oder schmieden. Einige der besten Handwerker, mit denen wir zusammenarbeiten, stammen aus Familien, die diese Arbeit schon seit Generationen machen – aber Handwerk steht auch für modernste Verfahren. Es geht also um Herangehensweise und Wissen, und nicht um traditionelle Werkzeuge. Die Aufgabe des Handwerkers besteht nicht nur darin, das Stück zu bauen. Es geht darum, jedes Design auf höchstem Niveau zu realisieren.
Sie haben einige Jahre in Berlin gelebt und gearbeitet. Wie hat dies Ihre Einstellung zum Produktdesign beeinflusst und wie wichtig war dies für die Entwicklung Ihres Unternehmens auf internationaler Ebene?
Von Anfang an war Kalon als internationales Unternehmen mit Produktion und Vertrieb sowohl in den USA als auch in Europa geplant. Diese Absicht entstammte direkt unserer Zeit in Berlin. Johann, mein Partner, ist Deutscher. Wir haben ein Leben in Deutschland, und Kalon spiegelt das wider.
In den frühen 2000er-Jahren haben wir in Berlin gelebt. Kulturell war die Stadt unglaublich reich, aber wirtschaftlich bot sie kaum etwas. Es gab nicht viele Möglichkeiten. Im Endeffekt haben wir gelernt, organisiert und fleißig zu sein. Es wurde nichts verschwendet. Unser Leben war sehr DIY und die Ästhetik in Berlin spiegelte das wider. Alles wurde aus konventionellen Materialien hergestellt. Die Konstruktionen waren schlank. Unsere erste Kollektion war stark von der Berliner Ästhetik geprägt. Wir haben mit Plattenmaterial gearbeitet. Im Großen und Ganzen würde ich sagen, dass der Einfluss dieser Jahre in unserer Herangehensweise an Design und Produktion zu sehen ist, die ziemlich europäisch ist.
Caravan Nursery Collection - Crib
Welche Rolle spielt der digitale technologische Fortschritt dabei, dass ein Unternehmen wie Ihres umweltbewusster agieren kann?
Wir sind ein Unternehmen, das stark von der digitalen Welt geprägt ist, in der wir leben. Wir haben die digitale Welt in vollem Umfang genutzt, um Kalon aufzubauen. Das reicht von der Art und Weise, wie wir unsere Kollektionen entwickeln und vertreiben, bis hin zu der Art und Weise, wie wir mit unseren Zulieferern und Kunden kommunizieren. Wenn wir ein Stück entwerfen und entwickeln, geschieht dies digital, mithilfe von CAD-Software. Wir benötigen fast nie Revisionen und bauen kaum physische Prototypen. Das erlaubt uns auch, unglaubliche Effizienz in den Produktionsprozess einfließen zu lassen, sodass es keinen Abfall gibt. Unsere Fabriken verwenden digitale Tools für den Holzzuschnitt, um den Holzabfall weiter zu reduzieren. Wir suchen auch nach Fabriken, die an der Spitze der industriellen Entwicklung stehen und in Losgröße 1 produzieren. Das bedeutet, dass die Produktion eines einzelnen Stückes genauso effizient ist wie die Produktion großer Serien, was einen Dominoeffekt hat – weniger Lagerhaltung, weniger Transport, weniger Heizkosten und insgesamt weniger Abfall durch die Nichtproduktion von Waren, die nicht benötigt werden.
Wie lief es während der Coronakrise? Wie wichtig war die digitale Vernetzung für die Aufrechterhaltung einer industriellen Arbeitsumgebung? Liefern Sie eine Blaupause für die neue Norm?
Ich denke, unser Geschäftsmodell und unser Ansatz waren für diesen Moment einzigartig. Erstaunlicherweise gab es so gut wie keine Unterbrechungen in der Produktion und im Verkauf, wofür wir sehr dankbar sind. Das hat auch unser Engagement für einen 360°-Ansatz zur Führung eines nachhaltigen Unternehmens gesteigert.
Kalon wurde ursprünglich für den Betrieb mit zwei Handys und zwei Laptops eingerichtet. In gewisser Weise hat sich dieser Aufbau nie geändert. Wir lagern die Fertigung aus. Wir haben einen kleinen Mitarbeiterstab und betreiben unser Büro von unserem Haus aus. Das hat uns gut getan, denn es erlaubte uns, dynamisch zu sein und uns sehr schnell an neue Situationen anzupassen – uns fast augenblicklich zu vergrößern oder zu verkleinern. Das bedeutet zwar, dass wir etwas mehr für die Herstellung des Produkts bezahlen, aber es hat uns ermöglicht, einen unglaublich schlanken Betrieb zu führen und uns auf das Design und die Prozesse zu konzentrieren. In den USA oder „vor Ort“ zu produzieren, war ebenfalls eine gute Entscheidung. Wir müssen uns nicht mit dem Import großer Mengen an Warenbeständen befassen, die wir lagern und versenden müssen. Wir sind in der Lage, nach Bedarf zu produzieren, von dort direkt zu versenden usw. und gleichzeitig unseren CO2-Fußabdruck erheblich zu reduzieren. Aufgrund dieser Struktur konnten wir Krisen überstehen, die viele unserer Kollegen und Konkurrenten in den Ruin getrieben haben – wie die Finanzkrise 2008 und jetzt die Pandemie.
Die COVID-Krise hat unglaubliche Klarheit in viele komplizierte Strukturen gebracht. Sie machte zum Beispiel deutlich, wie wichtig inländische Lieferketten sind. Sie legte auch die unglaublichen Ungerechtigkeiten zwischen der vermögenden und der Arbeiterklasse offen. Der Weg von Kalon war lang und voller Rückschläge und Härten, aber wir haben nie die Gründungsprinzipien fairer Geschäftspraktiken vergessen, die sowohl uns als auch die Handwerkerinnen und Handwerker, mit denen wir arbeiten, unterstützen. Es ist eine für beide Seiten vorteilhafte Beziehung, die ein solides Einkommen, Sicherheit und Stolz auf die Arbeit für alle am Produktionsprozess beteiligten Personen bietet. Gerade jetzt werden wir daran erinnert, wie wichtig das ist, und ich denke, das schätzen viele Menschen inmitten der Pandemie – und hoffentlich auch noch in den kommenden Jahren.
Um mehr über Kalon Studios zu erfahren, besuchen Sie dessen Website.
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